Bauzeit: ca. 2 Jahre
Kostenpunkt: ca. eine Dreiviertelmilliarde Mark
Betriebszeit: ungefähr 10 Monate
Reichlich 100 km südlich von Berlin steht ein gutes Beispiel dafür, dass man sich um BER, Hamburger Philharmonie oder Stuttgart 21 gar keine Gedanken machen muss. Geld wurde schon immer verplempert. Das Beispiel nennt sich F60 und ist die größte Abraumförderbrücke, die weltweit jemals ein Tagebau sah. Und man kann sie begehen.
Die Wurzeln des Ausflugs waren ein Weihnachtsgeschenk für meinen Vater: ein paar Filme für seine Kamera und das Versprechen, mit ihm einen Ausflug zu machen. Für die jüngeren Leser: Mit Filmen machte man früher Fotos. Man legte sie in eine Kamera ein, fotografierte, brachte sie zum Entwickeln in ein geeignetes Geschäft und konnte sich ein paar Tage später die fertigen Bilder abholen. Das war, bevor es Smartphones gab. Und nein, man konnte diese Bilder nicht einfach in sozialen Netzwerken teilen. Manchmal wünsche ich mir die gute alte Zeit zurück, in der man Tage nach einem Lunch erst das Foto vom Salat auf einen Scanner legen musste, um es dann auf Instagram posten zu können. Der Aufwand würde uns vermutlich das eine oder andere Möchtegernsternchen ersparen. Aber man muss eben ein paar Opfer für den Fortschritt bringen.
Filme und ein Gutschein für einen Fotoausflug zu einem Ziel seiner Wahl also – das war die Ausgangssituation. Mein Vater wollte gerne jene Förderbrücke besuchen. Es traf sich gut, denn ich selbst wollte schon lange dorthin. Wo immer ein Bergwerk ist, ich will’s sehen – egal ob es eine Mine ist, die sich tief in den Berg bohrt, oder auch mal ein Tagebau. Klingt vielleicht seltsam, ist aber so.
Ungefähr 110 km trennen das stählerne Ungetüm von Lichterfeld von der Südgrenze Berlins, der Weg ist einfach: Immer die A13 entlang bis zur Ausfahrt Bronkow und dann der Ausschilderung folgen. Man findet die F60 auch ohne GPS mühelos. Parkplätze gibt es genug. Lassen Sie sich nicht von den Parkautomaten verwirren. Zumindest bei unserem Besuch waren sie außer Funktion.
Bei dem Gedanken an eine Tagebauförderbrücke erwartete ich ursprünglich ein Mondlandschaft wie diese:
Weit gefehlt. Dort, wo einst Kohle geschürft wurde, ist jetzt Wasser. Ein Angelausflug lohnt aber nicht. Das Wasser ist recht sauer. Kein gutes Biotop aber vielleicht geeignet, um Wäsche zu bleichen.
Insofern ist die Bezeichnung „Besucherbergwerk“ vielleicht auch ein bisschen irreführend, denn vom Bergbau ist nicht viel übrig außer der eiserne Gigant. Und der hat es in sich.
Wie oben schon erwähnt ist die F60 eine Abraumförderbrücke. Das heißt, an einem Ende wird das Erdreich über der Braunkohle von zwei Eimerkettenbaggern aufgenommen. Ein Bagger trägt den Abraum nach oben hin ab, der andere arbeitet nach unten – jeweils 30m. In der Summe ergibt das 60m Arbeitshöhe, die der Förderbrücke den Namen gaben.
Um einen Eindruck von den Bagger zu bekommen:
In dieser Baggerschaufel kann sich ein erwachsener Mensch bequem unterstellen, wenn es regnet. Der Bolzen, mit dem die Schaufel befestigt wird ist ungefährt kniehoch und wiegt in etwa 50 kg. Kein schlechtes Utensil für das tägliche Workout, oder?
Pro Stunde nahmen die Bagger ca. 29.000 m³ Abraum auf. Das heißt, innerhalb einer Stunde wäre ein Fußballfeld ungefähr 6 Meter hoch mit Dreck bedeckt.
Mittels Förderbändern wurde der Abraum auf die andere, 500m entfernte Seite gebracht und dort abgekippt. An jenem Ende ist heutzutage eine Art Aussichtsplattform. Überdacht natürlich. Der Weg dorthin ist nicht zu beschwerlich, wer Probleme mit dem Gehen hat, sollte aber dem Führer der Tour bescheidgeben, damit dieser nach Möglichkeit das Tempo entsprechend anpasst. Es geht doch immer wieder Treppen hoch und runter.
Wer wiederum Probleme mit Höhen hat, sollte sich besser zweimal überlegen, ob er die Führung mitmacht. 70m über dem Boden in luftiger Höhe nur über Gitterböden zu schreiten, ist vermutlich nicht jedermanns Sache.
Wem das aber nichts ausmacht und wer sich für technische Höchstleistungen interessiert, dem sei ein Besuch der F60 ans Herz gelegt.
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